Meine Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion hat mit der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg einen Beschluss zum Schutzschirm für Kommunen gefasst. Er ist ein wichtiger Beitrag in der Debatte, die Folgen der Corona-Pandemie in den Kommunen aufzufangen. Hier unsere Forderungen:
Gemeinsamer Beschluss der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und der baden-württembergischen Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion
Wir brauchen einen Schutzschirm für unsere Kommunen!
Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf alle öffentlichen Haushalte. Unsere Kommunen sind in besonderer Weise betroffen: Auf der einen Seite brechen die Einnahmen weg, vor allem bei der Gewerbesteuer, während gleichzeitig die Ausgaben für Sozialleistungen oder Gesundheitsschutz steigen. Nach aktuellen Schätzungen (Bund der Steuerzahler, Landkreistag) drohen dem Land und unseren Kommunen Steuermindereinnahmen von rund 10 Milliarden Euro und zusätzliche Ausgaben von rund sechs Milliarden Euro bis Jahresende.
Es gibt zudem kaum Möglichkeiten, die Einnahmeverluste öffentlicher Einrichtungen auszugleichen. Viele kommunale Unternehmen stehen vor einer existenziellen Bedrohung. Diese Situation der Kommunen hat harte Folgen für die Wirtschaft, wenn unsere Kommunen als größter öffentlicher Auftraggeber deutlich weniger investieren können oder gar gänzlich ausfallen.
Dabei kommt unseren Kommunen bei der Bewältigung der Pandemie die zentrale Rolle zu, das Leben während der Pandemie zu organisieren und soziale Leistungen und Infrastruktur aufrecht zu erhalten.
Im staatlichen Verwaltungsaufbau sind die Kommunen der Länderebene zugeordnet. Hier liegt die primäre Verantwortung für einen Schutzschirm für unsere Kommunen. Leistungen des Bundes sind in Ausnahmesituationen wie der Pandemie willkommen und komplementär einzusetzen.
In dieser Situation müssen alle staatlichen Ebenen zusammenarbeiten, um die Funktions- und Handlungsfähigkeit des demokratischen Gemeinwesens zu sichern. Wir brauchen dringend ein Sofortprogramm für unsere Kommunen. Landesregierung und Landtag sind in der Pflicht, diesen Schutzschirm aufzuspannen – und der Bund ist gefordert, die Hilfe für die Kommunen nach Kräften zu unterstützen.
Unsere Kommunen sind systemrelevant. Daher fordern die SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und die baden-württembergische Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion:
1. Ein Sofortprogramm, das unsere Kommunen vor den finanziellen Folgen der Corona-Krise schützt und hilft, wichtige Investitionen fortzusetzen. In erster Linie ist dies Aufgabe der Länder; aber auch der Bund steht hier in der Verantwortung, im Gleichschritt zu einer zügigen Lösung zu gelangen.
2. Die Aufrechterhaltung der sozialen, technischen und kulturellen Infrastruktur in unseren Kommunen so zu unterstützen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt ausgebaut wird und Stabilität und Widerstandskraft in Krisensituationen gestärkt werden.
3. Die Unterstützung unserer Kommunen als originäre Aufgabe des Landes wahrzunehmen. Für Baden-Württemberg heißt das:
a) Elternbeiträge für die Kita- und Schulbetreuung sowie die Kindertagespflege (auch für Einrichtungen in kirchlicher oder freier Trägerschaft) sind im Umfang der tatsächlichen Ausfälle durch das Land zu übernehmen, um Eltern und Kommunen nicht noch stärker zu belasten.
b) Mehraufwendungen und Belastungen im Bereich der Gebühren und Beiträge zum Beispiel für die Nutzung von Museen, Musikschulen, Volkshochschulen und anderen Kultureinrichtungen, aber auch in sozialen Diensten der Kommunen sind vom Land auszugleichen.
c) Kommunale Unternehmen wie Verkehrsunternehmen, Bäder, kulturelle Einrichtungen wie Museen und Theater, Krankenhäuser, Pflegeheime, etc. sind ebenso wie die Privatwirtschaft betroffen, erhalten aber bisher lediglich Unterstützung durch die KfW des Bundes. Daher ist ein Beteiligungsfonds für kommunale Unternehmen (für stille Beteiligungen des Landes) bei der L-Bank einzurichten.
d) Unseren Kommunen einen zeitlich an der wirtschaftlichen Erholung angepassten Fonds bereitzustellen, woraus zu erwartende Verluste aus Steuermindereinnahmen ausgeglichen, wenigstens abgefedert werden können. Denn: Sinkt das Steueraufkommen insgesamt, sinkt auch die Summe der Verbundsteuern, an welchen unsere Kommunen über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) mit 23 Prozent beteiligt werden.
4. Die ersten beiden Abschlagszahlungen wurden zurecht pauschal ausgezahlt und Verwendungszwecke wurden nur kursorisch angegeben, weil unsere Kommunen ohnehin höhere Bedarfe hatten als mit den bereitgestellten Mitteln zu decken möglich gewesen wäre.
Ein Schutzschirm besitzt anderen Charakter: Hier sind Verwendungen anzugeben. Das sind wie oben genannt vor allem die Elternbeiträge für Kinderbetreuung (315 Mio. Euro bis Jahresende) und sich auf der Ausgabenseite weiter aufsummierende Verpflichtungen für kommunale Einrichtungen, welche auch aufgrund sinkender Einnahmen (Gewerbesteuer, Einkommensteuer) unter Druck stehen.
Das Sofortprogramm für unsere Kommunen ist mit mindestens 2,5 Mrd. Euro auszustatten. Der größte Anteil muss dafür vom Land bereitgestellt werden, um gegenüber dem Bund glaubhaft eine Beteiligung einfordern zu können.
Nur wenn das Land bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und dies auch im betragsmäßigen Volumen der Kommunalen Hilfe zum Ausdruck bringt, ist es in einer glaubhaften Position, den Bund zur Unterstützung aufzufordern. Wir erwarten, dass hierzu unverzüglich Gespräche zwischen dem Finanzministerium und den kommunalen Landesverbänden aufgenommen und Kontingente benannt werden.
Wir appellieren an unsere Kommunen im Land, den zahlreichen Beispielen zu folgen und – sofern noch nicht geschehen – den Einzug der Elternbeiträge unverzüglich auszusetzen. Das Land Baden-Württemberg steht gerade jetzt in der Verantwortung, unsere Kommunen und Eltern nicht noch stärker zu belasten. Die Landesregierung muss dieser Verantwortung nachkommen.
Andreas Stoch, Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD Baden-Württemberg
Martin Rosemann, Vorsitzender der baden-württembergischen SPD-Landesgruppe im Deutschen Bundestag
15. Mai 2020